Tips zum Ungarischlernen
Man sollte vor allen Dingen die Einzigartigkeit des Ungarischen akzeptieren; es bildet eine Sprachinsel in Mitteleuropa. Über die genaue Zusammensetzung der von ca. 14,5 Millionen Magyaren gesprochenen Sprache gibt es unter den Wissenschaftlern kein Konsens, jedenfalls gehört sie der Finno-Ugrischen Zweig der uralischen Sprachfamilie an und kam in Sprachkontakt mit turksprachigen Ethnien und den Krimgoten. Es wurde in den letzten 1000 Jahren von slawischen Sprachen und in den letzten 300 zudem vom Deutschen beeinflusst.
Der besondere Aufbau der Sprache bereitet indoeuropäischen Sprechern Schwierigkeiten, aber man kann sie schnell darauf hinleiten, und in mancher Hinsicht ist Ungarisch einfacher und leichter als Deutsch oder Englisch.
Im Ungarischen...
- gibt es kein grammatisches Geschlecht
- gibt es keine Präpositionen
- gibt es nur eine Vergangenheits- und eine Zukunftsform
- ist die Passivform sehr selten
- entspricht die Aussprache weitgehend die Schriftform (das "Verschlucken" von Lauten ist untypisch)
Die Betonung liegt fast immer an der ersten Silbe des Wortes – es hört sich an, als haute der Ungar sozusagen ständig am Tisch – außer in Fragesätzen, wo man auch die Tonhöhe deutlich anhebt.
Die ungarische Sprache ist außerordentlich rhythmisch und melodiös.
Lernenden mit gutem Gehör, die vielleicht auch ein Instrument spielen, fällt der Anfang leichter. Die Fähigkeit des Nachahmens (Flexibilität) hilft übrigens bei der Aneignung jeglicher Sprachen. Deswegen setze ich im Unterricht Gedichte und ins besondere mit Kindern Lieder ein. Die ungarische Sprache mag kompliziert erscheinen, ist aber sehr logisch.
Südländer tun sich mit der Nachahmung leichter, während viele Nordländer über die Intonation lachen (etwa in Sätzen wie "Nem jönnétek el ma színházba?"). Letztere preisen aber auch den außerordentlich schönen Klang der Sprache.
Mit dem Deutschen zeigt das Ungarische zufällige Übereinstimmungen wie die Endung von Possessivpronomen: enyém – mein, tiéd – dein.
Die Wortfolge ist sehr flexibel, die Satzelemente nach Wichtigkeit gereiht.
In langen Wörtern beschleunigt der Anlauf das Tempo. Die ungarische Sprache ist sehr rhythmisch (z.B. kitakarítottátok).
Im Ungarischen gibt es kein grammatisches Genus (es fehlt auch keinem); das Büffeln der Genera von Substantiven, wie in den meisten europäischen Sprachen, erübrigt sich.
Eine weitere Vereinfachung beim Lernen stellt die Gleichheit der Konjunktion von Substantiven und Verben: házunk és tanulunk (unser Haus und wir lernen), kulcsom és mondom (mein Schlüssel und ich sage).
Es gibt Unmengen von Synonymen (man denke z.B. auf die jeweils etwa 20 Synonyme der Wörter Mann oder Frau).
Meine Schüler freuen sich immer, wenn sie erfahren, dass wir (mitunter) nur eine Vergangenheitsform verwenden. Die Zweisamkeit der bestimmten und unbestimmten Konjugation ist in jeder Zeitform präsent.
Der Wortschatz des multinationalen Karpaten-Beckens ist bunt gemischt, trotzdem lässt sich feststellen, dass die Sprache der Magyaren äußeren Einflüssen absolut widersteht. Sie ist beispielsweise nicht anfällig auf den weltweit eklatanten Einfluss des Englischen. Schlechte Übersetzungen oder Nachbildungen von Werbungen, wie etwa "Rendelje meg online!" (Bestellen Sie es online!) haben überhaupt keine Chance, weil Suffixe im Ungarischen ans Wortende gehören. "Rendelje meg az interneten!"
Wörter sind jederzeit willkommen, fremde Strukturen können aber in den unseren keine Wurzel schlagen.
Ungarisch eignet sich hervorragend für den Ausdruck von Gefühlen. Sollte der Ungar Heimweh bekommen, dann vor allen Dingen aufgrund seines Bedürfnisses nach der emotionalen Kommunikation. Nicht von ungefähr ist Ungarisch vor allem in der Lyrik hervorragend.
Das Ungarische ist eine an Wortschatz und Instrumentarium reiche Sprache, es ist kreativ, man kann immer neue Sachen aus ihr hervorzaubern. Sie mag kompliziert sein, aber ob sie mit Verstand oder durch Nachmachen angeeignet wird, jeder liebt es.